Autorin: Maria Riedl Als ich nach Abschluss der Hauptschule 1970 meinen Weg in die Pflege begann, galt die Altenpflege noch als wenig attraktiv. Mit 16 Jahren trat ich als Vorschülerin bei den Luisenschwestern in Salzburg ein, um ein Jahr lang auf die Pflegeausbildung vorbereitet zu werden.
Diesem Jahr folgten drei erfolgreiche Jahre in der allgemeinen Krankenpflegeschule. Meine Zimmerkollegin Johanna und ich lernten im Wechseltakt: Ich bis ein Uhr und sie dann bis zum Morgen.Beeindruckt hat mich die vermittelte Idee der ganzheitlichen Pflege, für die das Kleeblatt als Symbol dient.
Ich konnte 1974 für die allgemeine Pflege diplomieren und damit meine Berufsberechtigung erwerben. Anschließend bekam ich eine Stelle im Operationssaal der Augenklinik zugewiesen und arbeitete dort bis 31.01.1975.
Sprechstundenhilfe
1975 folgte ich einem Angebot als Sprechstundenhilfe in eine Praxis für Allgemeinmedizin in meinem Wohnort Bischofshofen. Es wurden neun sehr lehrreiche Jahre. Rückblickend war es eine Zeit, die mich persönlich sehr formte. In der Ordination wurde ich durch meinen damaligen Chef mit Biografiearbeit konfrontiert, um die Reaktionen von Patienten besser zu verstehen.
Beruflich konnte ich mich in der Arztpraxis in vielen Themen besonders entwickeln. Ich bildete mich weiter durch Laborkurse für blutchemische Untersuchungen, einen Kurs für Hauskrankenpflege und machte die Ausbildung für Heilmassage. In einem Zweierteam war mein Wissen und Engagement gefordert.
In den letzten Jahren in der Praxis kam aber immer öfter die Sehnsucht nach der Pflege, meinem eigentlichen Beruf.
PSP St. Veit
In der Arztpraxis machte ich die Erfahrung, dass vorwiegend am Freitag alte Menschen aus dem Krankenhaus entlassen wurden, wenn weder Hausarzt noch Hilfen zur Verfügung standen. Es war also kein Zufall, dass ich mich für eine Stelle im Bereich der Altenpflege umschaute. 1984 war es relativ einfach, eine Stelle in diesem Bereich zu finden.In den Landeskliniken Salzburg, in der psychiatrischen Außenstelle der Sonderpflege in St. Veit, war mein Start. Obwohl die Arbeit in der Praxis sehr interessant und umfangreich war, wollte ich wieder am Krankenbett arbeiten. So begann ich nach neun Jahren Ordinationstätigkeit am 1. Jänner 1984 in St. Veit in der Außenstelle der Landesnervenklinik. Am 20. Juli 1984 schloss ich meine zweite Ehe mit dem Hauptschullehrer Lothar Riedl.
LKH St. Veit
Da mich die Arbeit in der LNK weder medizinisch noch pflegerisch ausfüllte, wechselte ich nach eineinhalb Jahren, am 10. Juni 1985, an das Landeskrankenhaus St. Veit. In der Sonderpflege werden zum Großteil Patienten, die seit Jahrzehnten in psychiatrischer Behandlung sind, bis an ihr Lebensende gepflegt. Meine Hauptaufgabe bestand in der Beschäftigungstherapie und Beobachtung der Patienten.
1985 ließ ich mich an die Interne Abteilung des Landeskrankenhauses St. Veit versetzen. Es wurde eine besondere Herausforderung. Die Abteilung hieß zwar Interne Abteilung, war aber mit einer Akutabteilung nicht zu vergleichen. Auf der Station waren 24 systemisierte Betten eingerichtet. Die Patienten sehr hohen Alters kamen zum Großteil aus diversen Fachstationen des Akutbereiches. Sie bekamen bei uns die Chance, für die Entlassung nach Hause vorbereitet zu werden.
Einige Patienten mussten bei uns auf einen Heimplatz warten, es war zur damaligen Zeit nicht selten, dass Patienten drei Monate oder länger an der Abteilung lagen. Ich wusste bald, das war die Patientengruppe, die ich pflegen wollte.
Doch schon nach kurzer Zeit merkte ich, dass mein Fachwissen bei weitem nicht ausreichte. Wir hatten an der Station nämlich nicht vorwiegend rüstige Senioren, sondern überwiegend Menschen im hohen Alter, denen die Einweisung in ein Krankenhaus aufgrund von Anpassungsproblemen mehr Probleme machte als die Einweisungsdiagnose selbst. An der Abteilung waren besonders viele Menschen mit Desorientiertheit und Verwirrtheit. Es war für mich Zeit zu lernen, Trainings für diese Symptome zu entwickeln.
1988 Stationsleitung der Internen Abteilung - Führen im Team
1987 absolvierte ich eine Sonderausbildung zur Stationsschwester an der Krankenpflegeschule Schwarzach. Am 1. März 1988 übernahm ich die Leitung der Internen Abteilung Parterre im Landeskrankenhaus. Mit Topwissen aus der Praxis kam ich mir bald unterfordert vor. Ich wollte zwar einerseits betagte Menschen betreuen, wollte andererseits mein Fachwissen aus der Praxis nicht verlieren. Mein Zugang zur Altenpflege war in dieser Zeit nämlich rein medizinisch orientiert, so kam es zum Veränderungswunsch.
Ab dem Jahr 1986 zeigte mein eigener Vater, damals 70-jährig, ähnliches Verhalten wie die meisten Patienten der Station. In der gewohnten Umgebung daheim war er für meine Mutter auffällig durch besondere Sturheit, wie sie das nannte, aber in fremder Umgebung fand er sich immer schwerer zurecht und zeigte Verhalten, das für die gesamte Familie befremdlich war. Ich suchte Rat und Wissen für meine Arbeit in St. Veit, aber auch für den Privatbereich. Ich notierte mir viele Erlebnisse mit meinem Vater und veröffentlichte sie 2008 in "Leben bis zuletzt".
Geriatrische Pflege erneuern
Es folgte der nächste Zufall. In der Krankenpflegeschule Schwarzach im Pongau suchte man eine Vortragende für die Geriatrische Pflege. Ich nahm dieses Angebot wahr und begann meinen Unterricht vorzubereiten.
Durch Literaturrecherchen wurde ich auf den psychiatrischen Krankenpfleger Erwin Böhm aufmerksam. Sein Buch zeigte mir einen neuen Weg in der Pflege von alten Menschen auf. Seine Ideen, Übergangspflege und Neuorientierung, lösten in der damaligen Zeit eine Veränderung in der Pflege aus. Nach dem ersten Praktikum bei Böhm in der Wiener Psychiatrie auf der Baumgartnerhöhe wusste ich, das wird mein Weg, wenn ich es schaffe, die Ideen für die allgemeine Pflege zu verändern.Zuhause in St. Veit kamen die Ideen nur mäßig an. Einerseits waren die Kollegen meiner Station begeistert, andererseits war die Leitung der Pflege nicht sicher, ob man Ideen aus der Wiener Psychiatrie in der allgemeinen Pflege umsetzen kann. Die Pflege auf unserer Station wurde umgestellt. Wir versuchten so gut es in einem Krankenhaus ging, die Tagesstruktur an die Patienten anzupassen. Die Patienten wurden so aktiv wie möglich gehalten.Es folgten gezielte Überlegungen, wie die Biografie unserer Patienten sich auf das Verhalten im Alter auswirkt. Wir entwickelten Anpassungshilfen durch Orientierungstraining.
Die ersten Erfolge zeigten sich. Plötzlich sahen wir das Verhalten Betagter als logisches Verhalten bedingt durch das Erlebte von Damals. Alte Menschen fanden sich auf der Station durch Orientierungstraining besser zurecht. Desorientiertheit und Verwirrtheit wurden seltener.
1990 Verein AGPK
Ich arbeitete mit Böhm sehr eng zusammen, wir gründeten den Verein AGPK, um die Ideen weiter zu verbreiten. Oberpfleger Böhm kam aus der psychiatrischen Pflege, ich aus der allgemeinen Pflege. Das gemeinsame Ziel war eine „Krankenpflege als Brücke in den Alltag“, wie das erste (und meiner Meinung nach beste) Buch von E. Böhm hieß.
Aus anfänglichen Impulsreferaten entstanden Kursreihen zur sogenannten Böhmpflege. Durch meine Arbeit als Stationsleitung verbreiteten sich die Ideen auch in meinem Bereich, der Allgemeinen Pflege und Altenpflege, sehr schnell, die Exkursionen und Einladungen in Schulen und zu Kongressen wurden zahlreich. So war die Anerkennung im In- und Ausland bald merkbar.